Lernziele

Dennis Hundacker hockt neben einem Welpen im Gras

Nur wenige Hundebesitzer suchen eine Hundeschule mit dem Vorsatz auf, mit ihrem Hund eine sportliche Karriere zu starten oder ihn für eine bestimmte Arbeit auszubilden. Die meisten erhoffen sich eine Anleitung dafür, wie sie aus ihren Hund einen „gut erzogenen Familienhund und netten Freizeitbegleiter“ machen können. Schaut man sich das Training auf Hundeplätzen und in Hundeschulen jedoch mal genauer an, so kann man in vielen Fällen feststellen, dass die Trainer offensichtlich ganz andere Trainingsziele im Kopf haben. Nach wie vor sind die sportlichen Prüfungsordnungen häufig das Maß aller Dinge, auch wenn die darin festgelegten Trainingsziele, und vor allem der übliche Trainingsaufbau, nicht dazu geeignet sind, den Wunsch der Hundebesitzer zu erfüllen.

 

Hier einige Beispiele:

Unter dem Begriff „Leinenführigkeit“ wird häufig immer noch das „Bei Fuß gehen“ nach sportlichen Kriterien verstanden und geübt, nicht aber das Nachfolgen an lockerer Leine in verschiedensten Ablenkungssituationen, wie es für den Alltag wichtig und sinnvoll wäre. Zudem wird immer noch vorgegeben, auf welcher Seite der Hund zu führen ist (nämlich links und nur dort!), auch wenn es in der Praxis meist deutlich sinnvoller ist den Hund rechts zu führen, da hierzulande Rechtsverkehr herrscht und der Hund nur dann von anderen Passanten und Verkehr abgewandt geführt werden kann, wenn er eben rechts neben seinem Besitzer läuft.

 

Das Herkommen auf Signal („Hier“) wird häufig nur aus liegender oder sitzender Position geübt, weil es in den meisten Prüfungen nicht anders vorkommt. Tatsächlich wird der Hundebesitzer den Hund im Alltag in der Regel aus stehender Position oder aus der Bewegung und ohne Blickkontakt zu sich rufen müssen.

Andere Dinge, wie z.B. ein zuverlässiges Stoppsignal, werden gar nicht trainiert. Selbstverständlich ist es legitim und richtig die Auswahl der Signaldefinition auch nach sportlichen Gesichtspunkten zu treffen, falls eine sportliche Arbeit mit dem Hund angestrebt wird. Zuvor sollten aber unbedingt die Bedürfnisse und Wünsche des Hundebesitzers genau ermittelt werden, damit nicht „umsonst“ geübt wird oder gar Dinge trainiert werden, die der späteren „Nutzung“ des Hundes im Wege stehen.

 

Ähnlich verhält es sich mit der Auswahl des Lernziels, wenn man die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Hundes betrachtet. Nicht jeder Hund hat die gleichen Erbanlagen und somit die gleichen physischen und psychischen Voraussetzungen. Was für den einen Hund interessant und wichtig ist, ist für den anderen uninteressant. Manche Hunde lernen sehr schnell andere langsam. Manchen Hunden ist es ein regelrechtes Bedürfnis mit ihren Menschen zusammenzuarbeiten, andere zeigen von sich aus wenig Interesse an einer engen Zusammenarbeit oder gar einem Körperkontakt mit dem Menschen. Gerade solche Hunde werden oft als stur oder gar dumm bezeichnet, da sich bei ihnen nur mit deutlich mehr Aufwand (oder manchmal auch gar nicht) die gleichen Lernziele erreichen lassen wie bei vielen anderen Hunden.

Bei richtiger Auswahl und Anwendung der Trainingstechniken dürfe es in der Regel relativ leicht sein, einem Hütehund Übungen wie Hinsetzen, Hinlegen oder Herkommen auf Signal beizubringen. Bei einem Herdenschutzhund ist das zwar nicht unmöglich, aber es erfordert deutlich mehr Ausdauer und Konsequenz. Um Frust vorzubeugen und ein möglichst praxisnahes Ergebnis zu erzielen sollte also zunächst überlegt werden, welche Trainingsziele für diesen Hund im Alltag tatsächlich erforderlich sind und welchen Trainingsaufwand sie bedeuten. Ein sportliches „Bei Fuß gehen“ mit ständigem Blickkontakt und flotten Richtungswechseln dürften dem Hund schon allein aufgrund seiner Größe und seines Gewichtes ebenso schwerfallen, wie ständige Positionswechsel. Dafür sollte Zeit und Energie in einen sicheren Rückruf und eine zuverlässige Leinenführigkeit unter Ablenkung gesteckt werden, damit sich der Besitzer mit seinem Hund in der Öffentlichkeit bewegen kann, ohne dabei in Schwierigkeiten zu geraten. Gerade für Sport oder Arbeit werden häufig bestimmter Rassen oder gar Zuchtlinien angeschafft und es stellt sich im Laufe des Trainings heraus, dass sie für die gewünschte Aufgabe offensichtlich nicht geeignet sind. Vielen Besitzern fällt es äußerst schwer, sich dieser Realität zu stellen. Hier ist es Aufgabe des Trainers die Besitzer davon zu überzeugen, nicht an den unpassenden Trainingszielen festzuhalten, sondern andere, erreichbare Ziele zu verfolgen.

 

Manche von Besitzern gewünschte Trainingsziele sind bei objektiver Betrachtung von vorneherein nicht zu erreichen.